Pflichten im Umgang mit Patientendossiers nach Praxisaufgabe oder Tod

Gras mit Tau und Wassertropfen

Was geschieht mit einem Patientendossier nach Behandlungsabschluss? Was mache ich mit dem Dossier eines verstorbenen Patienten? Was passiert mit den Patientendossiers, wenn ich als Therapeutin vor dem Ende der Aufbewahrungspflicht sterbe? Bei den Aufbewahrungspflichten von Patientendossiers lohnt es sich, genau hinzuschauen.

Gemäss dem Datenschutzgesetz dürfen Therapierende Patientendossiers nur so lange aufbewahren, wie diese Unterlagen noch benötigt werden. Eine Therapiepraxis muss ihre Arbeitsabläufe also so gestalten, dass nicht mehr benötigte Unterlagen regelmässig gelöscht werden. Ein Behandlungsabschluss, der Tod von Patient*innen oder Therapeut*innen hat jedoch nicht automatisch die Löschung von Patientendossiers zur Folge. Die entsprechenden Aufbewahrungsfirsten müssen beachtet werden.

Herausgabe von Krankheitsgeschichten

Therapeut*innen müssen Krankheitsgeschichten nach Behandlungsabschluss nicht automatisch an die Patient*innen herausgeben. Auf Verlangen der Patient*innen müssen sie jedoch eine Kopie davon aushändigen. In der Kopie müssen Angaben, die von Dritten (z. B. Angehörigen) stammen, abgedeckt werden, ausser es liegt eine Einwilligung dieser Drittperson zur Herausgabe vor. Hat der Therapeut in der Krankengeschichte Einträge gemacht, die nicht in die Krankengeschichte gehören und nur für ihn persönlich bestimmt waren, dürfen diese Angaben in der Kopie abgedeckt werden. Grundsätzlich muss die Therapeutin die Kopie kostenlos in einem gängigen elektronischen Format herausgeben können. Wenn die Therapierenden nicht mehr berufstätig oder nicht erreichbar sind, können sich Patient*innen bei deren Nachfolger*innen oder beim Gesundheitsamt ihres Kantons nach ihren Patientendossiers erkundigen.  

Aufbewahrungspflicht von Patientendossiers

Therapeut*innen benötigen Daten auch nach Abschluss einer Behandlung noch, beispielsweise für die Rechnungsstellung. Auch im Rahmen eines Verfahrens müssen Therapeut*innen zu Beweiszwecken auf die Daten zurückgreifen können, damit sie Haftpflichtansprüche abwehren können. Unterlagen dürfen dementsprechend so lange aufbewahrt werden, bis die Verjährungsfristen für die Geltendmachung allfälliger Ansprüche aus der betreffenden Behandlung abgelaufen sind. Da Personenschäden während 20 Jahren geltend gemacht werden können, empfiehlt sich eine Aufbewahrung von 20 Jahren. Wenn Patient*innen die Löschung ihrer Daten verlangen, bevor die Verjährungsfristen abgelaufen sind, müssen Therapeut*innen diesem Löschbegehren nicht nachkommen. Wenn die Krankengeschichte Patient*innen im Original übergeben wird, fällt auch die Aufbewahrungspflicht weg. Therapierende sollten zum eigenen Schutz trotzdem eine Kopie aufbewahren. Denn selbst unterschriebene Dokumente zu Verzicht auf Schadenersatz- und Genugtuung sind rechtlich kaum haltbar und die Therapierenden wären ohne Kopie in einem allfälligen Prozess nicht mehr in der Lage, die nötigen Beweise zu erbringen.

Ausnahmefälle

Einige kantonale Gesundheitsgesetze tragen diesem Umstand bereits Rechnung und verlangen inzwischen, dass Patientendossiers 20 Jahre aufbewahrt werden. In Einzelfällen sind auch längere Aufbewahrungsfristen denkbar, etwa bei der fortwährenden Behandlung langjähriger oder chronischer Erkrankungen. Zudem werden Daten in spezifischen Situationen gestützt auf gesetzliche Grundlagen in entsprechenden Regiestern aufbewahrt, beispielsweise bei Krebs oder Organtransplantationen. 

Vorgehen beim Tod von Patient*innen

Ein Patientendossier bleibt auch nach dem Tod von Patient*innen durch das Berufsgeheimnis geschützt. Angehörige oder Drittpersonen können jedoch Zugang zu bestimmten zweckdienlichen Informationen erhalten, beispielsweise für die Erleichterung der Trauerarbeit, für genetische Beratungen oder im Rahmen von Gerichtsverfahren. Dazu müssen Therapeut*innen die zuständige kantonale Behörde vorgängig um Entbindung vom Berufsgeheimnis ersuchen. Patientendossiers müssen auch nach dem Tod von Patient*innen gemäss den geltenden Fristen aufbewahrt werden.

Regelungen bei Praxisaufgabe

Auch wenn Therapeut*innen ihre Praxis aufgeben, bleibt die Aufbewahrungspflicht bestehen. Entweder können Therapierende die Dossiers privat lagern oder die Aufbewahrung an Dritte delegieren. In jedem Fall sollten die Dossiers angemessen vor Beschädigung und unbefugtem Zugriff geschützt werden. Bei der Praxisaufgabe sollte zudem unbedingt der Versicherungsschutz durch die Berufshaftpflicht geklärt werden, siehe dazu den Artikel « Versicherungsfall nach Praxisaufgabe».

Praxisübergaben an Nachfolger*innen

Wenn Therapeut*innen ihre Praxis aufgeben, endet der Behandlungsvertrag mit den Patient*innen. Gegenüber allfälligen Nachfolger*innen muss das Berufsgeheimnis vollumfänglich gewahrt werden. Der bisherige Therapeut darf die Aufbewahrungspflicht für die Patientendossiers delegieren, die Nachfolgerin darf aber Patientendossiers von bestehenden Patient*innen nur einsehen, wenn diese explizit (durch eine unterzeichnete Erklärung) zustimmen. Wenn sich Patient*innen jedoch für weitere Behandlungen bei der nachfolgenden Therapeutin anmelden, kann die Einwilligung angenommen werden (konkludente Einwilligung durch Eingehen eines neuen Behandlungsvertrags). Damit Therapierende diese Anforderungen erfüllen, sollten sie die bestehenden und die neuen Patientendossiers trennen und die bestehenden nur bei Behandlungsfortgang zu den neuen Dossiers legen. Selbst wenn die Aufbewahrungspflicht delegiert wird, bleibt die Therapeutin für allfällige Ansprüche aus ihrer früheren Tätigkeit haftbar.

Regelung bei plötzlichem Tod der Therapeut*innen

Stirbt eine Therapeutin, bevor ihre Nachfolge geregelt ist, gelangen die Erben in den Besitz der gesamten Akten. Das ist problematisch, da sich die Erben zwar an das Datenschutzgesetz halten müssen, jedoch nicht dem Berufsgeheimnis unterstehen. Eine saubere Lösung ist in diesem Fall die Übergabe der Patientendossiers an die kantonalen Gesundheitsämter.