Therapeutischer Rat für Freunde?

Gras mit Tau und Wassertropfen

Bestimmt kennen Sie das: Sie sind beim Familienfest, beim Training oder an einem Apéro und werden nach Ihrem fachlichen Rat zum einen oder anderen Leiden, wenn nicht sogar zu einer ernstzunehmenden Erkrankung gefragt.

Vielleicht erhalten Sie auch Anrufe von Bekannten, die Sie um ihre Meinung zu einem medizinischen Problem bitten. Da es in der Schweiz keine Richtlinien zur Behandlung oder Beratung von Verwandten und Freunden gibt, haben wir hier einige Ratschläge für Sie:

„Du, mir tuts hier weh, weisst du was das sein könnte?"

Als therapierende Person sind Sie sicherlich auch schon ausserhalb Ihres Praxisalltags nach gesundheitlichem Rat gefragt worden. Problematisch bei einer solchen spontanen Konsultation aus dem Verwandten- oder Bekanntenkreis, ist aber Folgendes:

  • Es fehlt eine umfängliche Untersuchung
  • Es fehlt eine vollständige Anamnese
  • Es ist keine fachliche Weiterbetreuung gewährleistet

Zudem schrecken viele Therapierende zurück, den Menschen aus dem engeren Umfeld intime Fragen zur Krankheitsgeschichte zu stellen oder der Ratsuchende hält vielleicht bestimmte Informationen zurück. Es fehlt also der tiefere und vollständige Einblick in das Leiden und auch eine objektive Beratung ist nicht mehr garantiert. Ohne diese Voraussetzungen, sollten Sie keine medizinischen Ratschläge an ihre Angehörigen weitergeben.

Gut gemeinter Rat kann auch Schaden

Problematisch sind Ratschläge vor allem, wenn es sich um eine spezifische Behandlung handelt. Die American Medical Association empfiehlt unmissverständlich: Ärzte und Therapeuten sollten sich selbst oder enge Angehörige nicht behandeln. Die Gefahr, dass die professionelle Urteilsfähigkeit durch die persönliche Gefühlslage getrübt wird, ist gross. Als praktizierende Therapeut*in steht immer der Schutz der Klientel sowie der Selbstschutz im Vordergrund. Daher ist es eine Überlegung wert, ob man sich auf eine Beratung ausserhalb der Praxis einlassen möchte.

Halten Sie Ihre Ratschläge allgemein

Natürlich müssen Sie nicht gleich abweisend reagieren, sollten Sie dennoch nach Rat gefragt werden. Immerhin zeigt das auch, dass Sie eine vertrauenswürdige Person sind, deren Fachkompetenzen geschätzt werden. Es gibt durchaus Ratschläge, die unbedenklich sind wie zum Beispiel «versuche, dich gesunder zu ernähren», «hör auf zu Rauchen», «versuche es mal mit Meditation» oder ähnliches. Auch wenn es sich um eine allgemeine Frage zu Ihrem Fachbereich handelt, wie «Was fördert den Fluss des Qi?», «Welche Nahrungsmittel sind nach der Ayurvedischen Lehre empfehlenswert für den Winter?» können Sie diese mit gutem Gewissen beantworten, sofern es Ihr Fachwissen nicht übersteigt.

Im Zweifelsfall

Klar ist die Praxis ohnehin die bessere Umgebung für therapeutische Gespräche oder Untersuchungen. Somit kann auch eine gewissenhafte Dokumentation und auch die Einhaltung der Schweigepflicht gewährleistet werden. Im Zweifelsfall jedoch, lehnen Sie die Behandlung höflich ab. Sie können dafür im Gegenzug andere Formen der Unterstützung anbieten wie zum Beispiel Hilfe bei der Suche nach einem qualifizierten Therapeuten oder medizinischer Fachperson.

 

Quelle: https://www.medinside.ch/medizinischer-rat-fuer-freunde-besser-nicht-20220824